Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

Der Jugendmigrationsdienst Minden-Lübbecke

Der Jugendmigrationsdienst Minden-Lübbecke

Ein weites Feld

 

Der eher ländliche Bezirk Minden-Lübbecke liegt im nördlichsten Zipfel von NRW. Hier ist der Jugendmigrationsdienst in Trägerschaft der Diakonie Lübbecke für zehn Städte und Gemeinden zuständig. Die Ausdehnung beträgt an seiner breitesten Stelle 57 Kilometer. Dies stellt sowohl Mitarbeiter als auch Jugendliche vor logistische Herausforderungen. Gute Planung und ehrenamtliche Unterstützung untereinander sind daher sowohl bei der individuellen Betreuung als auch bei den Gruppenangeboten wichtig, zumal es wenig öffentlichen Nahverkehr gibt.

Die intensive individuelle Begleitung nimmt einen sehr großen Raum ein. Momentan werden Jugendliche und junge Erwachsene aus 35 Herkunftsländern begleitet. Nicht wenige davon bringen eine schwierige Lebensgeschichte mit. 63 der aktuellen Kunden sind anerkannte Flüchtlinge, davon kamen 26 alleine nach Deutschland. „Das sind junge Menschen mit ganz spezifischen Problemen,“ erzählt JMD-Mitarbeiterin Claudia Armuth. „Die haben niemanden, den sie um Rat oder um eine Meinung fragen können. Sie haben weder psychische noch materielle Unterstützung wie sie jeder normale Jugendliche braucht. Stattdessen stehen sie oft unter hohem Erwartungsdruck der Familie im Herkunftsland.“

Einsamkeit und Desorientierung macht die Jugendlichen unsicher. Das macht den Alltag mit all seinen Fragen wie, welche Behörde ist zuständig, wo gibt es Arbeit, wie finde ich eine Wohnung und bezahlbare Gebrauchtmöbel, noch schwieriger. Auch mit dem Schriftverkehr sind die Neuankömmlinge oft restlos überfordert. Da springen die JMD-Mitarbeiter schon mal ein und sortieren Berge von Briefen. „Andere brauchen Anschluss an das Bildungssystem oder Arbeit. Manche heiraten, haben Kinder und weitere Fragen entstehen.“ Zu den regulären Kunden kommen noch junge Asylbewerber hinzu. „Weil die meisten erfahrungsgemäß bleiben, ist es sinnvoll auch sie in Angebote einzubinden. Komplexe Integrationsförderung können wir nur bei gesichertem Aufenthaltsstatus machen. Fördern und Begleiten können wir alle,“ erklärt Claudia Armuth.

Weil Espelkamp eine lange Zuwanderungsgeschichte hat, sind die gewachsenen Strukturen hierfür vergleichsweise gut. Die frühere Förderhauptschule nimmt unabhängig vom Aufenthaltsstatus alle Schüler bis 23 Jahre in die Sprachkurse auf. So kann Förderung frühzeitig beginnen und viele der jungen Zuwanderer erreichen noch einen Schulabschluss. 

 

Was Generationen verbindet 

Von den gewachsenen Strukturen profitiert der JMD auch bei verschiedenen Projekten. Zum Beispiel bei einem Integrationsprojekt, das gemeinsam mit dem Seniorenbüro verwirklicht wurde. Jungen Migrantinnen und Migranten und Senioren aus Espelkamp trafen sich über mehrere Monate um gemeinsam die Heimat zu erkunden.

Die meisten der älteren Einwohner waren selbst als jugendliche Flüchtlinge nach dem Krieg nach Espelkamp gekommen. So teilten alle Teilnehmer im Projekt eine Einwanderergeschichte. Gemeinsam überlegten alle, welche Orte in der Stadt immer schon wichtig waren und es heute noch sind, zum Beispiel das Schwimmbad oder das Kino. Dann recherchierten sie im Stadtarchiv deren Geschichte. Das Projekt wurde ein voller Erfolg. Aus Fotokollagen, Dokumenten und Bildergeschichten entstand eine Ausstellung im öffentlichen Raum. Besonders wichtig an dem generationenübergreifenden Projekt waren aber die Gespräche. „Die Teilnehmer entdeckten in ihren Zuwanderungsgeschichten viele Gemeinsamkeiten. Die Senioren haben den Jungen eine Menge Mut gemacht indem sie zeigten, dass sie selbst einmal aus Ostpreußen oder Schlesien gekommen sind, dass sie Krieg und Flucht erlebt haben und heute angekommen sind.“

Das Projekt ist nur ein Beispiel für eine Aktion, die helfen kann, eine andere Perspektive auf die neue Heimat zu entwickeln. Um der Perspektive noch weitere Facetten hinzuzufügen, organisieren Claudia Armuth und Hannes Koch so oft wie möglich Exkursionen. „Umfassende Bildung ist von großer Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung und am effektivsten ist sie in guter Atmosphäre,“ erzählt Claudia Armuth. Bei Reisen nach Hamburg, Berlin oder ins Umland bekommen Jugendliche nicht nur Informationen über Deutschland, sondern auch einen anderen Blick auf sich selbst. „Diese Ausflüge bringen viel für die Integration. Bei den Reisen treten sie nicht als Opfer der Umstände auf, sondern als selbstbewusste junge Menschen. Unsicher und alleine sind sie in ihrer Situation viel zu oft. Unsere Aktionen im erlebnispädagogischen Rahmen sorgen dafür, dass sie hier wirklich ankommen. Denn nur wenn es ihnen gut geht, dann sind die auch fähig zu lernen und sich zu integrieren.“ 

 

Mubarak, 23 aus dem Irak

Mubarak - ohne Sprache geht es nicht

Ich bin Yezide, gehörte also im Irak zu einer Minderheit. Außerdem hatte ich als Dolmetscher für die Amerikaner übersetzt. Wegen der Zusammenarbeit mit den Amerikanern wurde ich zwei Mal von den Taliban bedroht. Dann bin ich geflohen. Zuerst kam ich 2005 nach Trier. Nach Minden bin ich gekommen, weil mein Bruder schon hier war. Ich hatte von der Beratungsstelle gehört und konnte schnell hier zur Schule gehen. Hier habe ich auch geheiratet. Mein Sohn ist jetzt eineinhalb. Nächsten Monat kommt er in die Kita. Mit der Hilfe vom JMD haben wir dort den letzten Platz bekommen. Das war sehr wichtig. Jetzt kann meine Frau, die 2008 aus dem Irak geflohen ist, einen Sprachkurs besuchen. Ohne Sprache geht es nicht. Im Irak hat sie ein Abi gemacht.

Uns geht es gut hier. Wir hatten mit vielen Dingen Glück und Hannes Koch vom JMD hat uns sehr geholfen. Bei der Wohnungssuche, beim Umzug, bei ganz vielen lebenspraktischen Dingen. Auch bei den vielen Bewerbungen. Im Augenblick versuche ich eine Ausbildungsstelle zu bekommen. Neulich habe ich es bei Mercedes fast geschafft, bin dann aber in der Endauswahl gescheitert. Das hat wehgetan. Jetzt gehe ich aufs Weiterbildungskolleg und mache den Realschulabschluss und vielleicht das Abitur nach. Am liebsten würde ich wieder irgendetwas mit Sprachen machen. So wie früher.

 

Der JMD Minden-Lübbecke in Kürze

Die Angebote richten sich gemäß den Grundsätzen des BMFSFJ im Schwerpunkt an neu zuwandernde junge Migranten und Migrantinnen. Dazu gehören Spätaussiedler und deren Angehörige, neu zuziehende Ausländer und Ausländerinnen, junge anerkannte Flüchtlinge und jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Im Kreisgebiet leben derzeit 8090 Menschen mit Migrationshintergrund im relevanten Alter zwischen 13 und 27 Jahren. Momentan werden 163 junge Menschen aus 35 Ländern begleitet wie Türkei, Syrien, Libanon, Afghanistan, Iran, Irak, verschiedenen afrikanischen Ländern, Kasachstan, Turkmenistan, Russland, Aserbaidschan, Kosovo, Serbien, Philippinen, Kuba, Kolumbien Indien und Sri Lanka. Der JMD Minden-Lübbecke beschäftigt zwei hauptamtliche Mitarbeiter. Unterstützt wird die Arbeit durch einen Dolmetscherpool, Integrationslotsen und die Einbindung der Jugendlichen als Ehrenamtliche. Mehr unter www.infoservicemigration.de