Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

Der Jugendmigrationsdienst München

 

Auf dem Weg zum Beruf – der JMD München unterstützt am Übergang von Schule in die Ausbildung

Jose Andres Ruiz Cavazza ist erst 17 Jahre jung, doch schon weit gereist. Nach Abschluss seiner Schulausbildung kam Jose im Frühjahr 2010 nach Deutschland - aus Lima in Peru geradewegs nach München. „Ein bisschen weit weg, ich weiß, aber ich habe ein Ziel, ich will an der Uni studieren, BWL mit Schwerpunkt auf Marketing“, sagt der Teenager mit überzeugend fester Stimme. 
Jose hat sich auf seinen rund 10.000 Kilometer von der Heimat entfernten Wunsch-Studienort gut vorbereitet.

Dass es in München einen Jugendmigrationsdienst (JMD) gibt, der ihm bei der Erfüllung dieses Wunsches vielleicht behilflich sein könnte, hat Jose noch in Peru erfahren. Seine Mutter, schon in Deutschland lebend, hatte vom JMD während ihres Integrationskurses erfahren, dort war dieser vorgestellt worden. „In den Kursen stellen wir unsere Angebote regelmäßig vor“, erzählt Arne Füller, der für den IN VIA Jugendmigrationsdienst München, Freising und Erding arbeitet.

Der IN VIA Jugendmigrationsdienst unterstützt vorrangig junge Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer im Alter von 12 bis 27 Jahren sowie Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, die sich in einer Krisensituation befinden. Neben mehreren Stadtteilen in der Stadt München gehören die Stadt- und Landkreise Freising und Erding zum Einzugsgebiet des JMD. Während in München vornehmlich neu zugewanderte junge Menschen aus Afghanistan, Irak, Osteuropa und afrikanischen Ländern die Begleitung durch den JMD in Anspruch nehmen, sind es im Kreis Erding viele dort angesiedelte Spätaussiederlinnen und Spätaussiedler. Im zersiedelten Freising finden vor allem türkischstämmige Jugendliche, junge Leute aus dem ehemaligen Jugoslawien  und aus afrikanischen Ländern den Weg in das mit Bus und Bahn gut erreichbare JMD-Büro.

„Aber einen jungen Mann aus Peru haben wir bisher noch nicht in der Begleitung gehabt“, berichtet JMD-Mitarbeiterin Nadezhda Krainenko. Nach ersten Gesprächen beim Jugendmigrationsdienst wurde schnell und ernüchternd klar, wie Joses Weg zum Studium aussehen könnte: Zunächst müsste der junge Peruaner zusätzlich zum Integrationskurs einen weiteren Deutschkurs besuchen, um den höheren Abschluss B2 – der Integrationskurs bietet lediglich den Erwerb des B1-Sprach-Zertifikates – zu erwerben. Als nächstes folgte dann das Büffeln an einem Studienkolleg, um dort die Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben. Erst dann wäre der Zugang zur Universität frei. 

Doch der fleißige Jose ließ sich von diesen Hürden nicht abschrecken. Sein Ziel stets vor Augen ist der B1-Kurs jetzt schon einmal bestanden. „Ich habe neben meiner Familie noch nicht so viele Freunde hier in München, dann gehe ich nachmittags oft in die Bücherei und lese deutsche Bücher“, erzählt er. Noch lange also nicht im Marketing, aber immerhin schon einmal im Verkauf arbeitete Jose zudem bereits als Aushilfe im Supermarkt und bei einem Metzger. 

 

Madalina

Eher spontan hat es Madalina Paduraru nach Deutschland geführt. Die junge Rumänin aus Bukarest kam vor drei Jahren als 22-jährige nach München. Madalina hatte nach dem Abitur schon ein paar Jahre gearbeitet und besuchte im Urlaub zusammen mit ihrem Freund dessen Schwester. Von dem Urlaubstripp kehrten beide nicht zurück: Madalinas Freund bekam noch während des Urlaubs eine Arbeit in Deutschland als Automechaniker angeboten, das junge Paar überlegte schlaflose Nächte lang hin- und her, wog Argumente ab – und entschied sich schließlich dafür, in Deutschland zu bleiben, hier ein neues Leben zu beginnen.

Die Verständigung im neuen Land viel Madalina zunächst schwer. Englisch und Französisch hatte sie bereits in der Schule gelernt – Deutsch stand aber nicht auf dem Stundenplan. „Ich bin ein Jahr verängstigt im Haus geblieben“, sagt Madalina, „die Leute auf der Straße hätten mich ansprechen, etwas fragen können - und ich hätte nicht antworten können“. Auf der Suche nach einem geeigneten Deutschkurs stieß ihr Freund schließlich im Internet auf den JMD. Nadezhda Krainenko hat Madalina dann an einen Intergrationskurs vermittelt.

Drei Jahre später arbeitet Madalina mit tatkräftiger Unterstützung durch den JMD als Auszubildende im Hotelfach. Auf die Frage nach Wünschen für die Zukunft angesprochen, erzählt Madalina, dass sie gerne auch über die Ausbildung hinaus im Hotelfach bleiben möchte: „Ich finde die Abwechslung der Tätigkeiten prima. Mal telefoniere ich, mal mache ich Abrechnungen am Rechner, immer habe ich viel Kundenkontakt, ich lerne Sprachen - bis jetzt ist alles perfekt für mich!“

Das Ausloten von Möglichkeiten im Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf ist für die Mitarbeitenden des Jugendmigrationsdienstes ein bekanntes, ein regelmäßiges Thema. Anja Stumpf arbeitet für den IN VIA-JMD im Freisinger Büro, sie sagt: „Es ist einfach Fakt, dass die Zahl der Schulabbrecher bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund höher ist, als bei denen ohne diesen Background.“ Aus ihrer Arbeit berichtet sie, dass mittlerweile viele Lehrerinnen und Lehrer sensibilisiert seien und versuchten, soviel externe Unterstützung wie möglich zu bekommen – sehr gerne auch vom Jugendmigrationsdienst. So stellt sie das Angebot des JMD auf einer Beratungslehrerkonferenz des Kreises Freising vor, ihr Fazit: „der Bedarf ist riesig! Abgänger ohne Abschluss lasten auf jeder Schule, sind schlecht fürs Image, dagegen wird jetzt vorgegangen“. 

Gespräche helfen, sagt Anja Stumpf, Gespräche mit den Eltern, mit den Lehrern, den Schulsozialarbeitern - und natürlich mit dem betroffenen Jugendlichen. „Es gibt unglaublich viele Angebote um einen Schulabbruch abzuwenden, aber auch für die Zeit danach, also wenn es soweit gekommen ist. Aber sowohl die Betroffenen, als auch den Lehrenden fehlen oft die Informationen, die nötige Vernetzung“. Hier setzt der JMD an. Neben den klassischen Instrumenten, wie das Verfassen von Bewerbungsanschreiben oder das Training von Vorstellungsgesprächen gehören die aktive und gemeinsame Ausbildungsplätze sowie das Zusammenführen von Bewerbern und Ausbildungsbetrieben zum Angebot des Übergangsmanagements. 
„Wir waren mit unseren jungen Leuten schon bei einer Versicherung (Allianz), bei einem Bierbrauer (Weihenstephan), einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) und einem Werk der Lastwagen-Produktion (MAN)“, erzählt Arne Füller. „Wichtig ist uns dabei, stets eine gute Mischung unterschiedlicher Arbeitsfelder vorzustellen. Auch suchen wir Betriebe aus, die eben nicht nur akademisches Personal suchen, sondern auch Leute für Empfang und Lager, für Produktion und Verwaltung, eben auch für Menschen mit nicht so hohen Bildungsabschlüssen“. In einer möglichst einfachen und klar verständlichen Sprache bekommen die jungen Migrantinnen und Migranten dann vor Ort erklärt, welche Aufgaben und Arbeitsbereiche es im Unternehmen gibt, welche Voraussetzungen wichtig sind, um eine Ausbildung oder eine feste Tätigkeit im Betrieb aufnehmen zu können. 

„Die letzte Betriebsbesichtigung ging zum Lastwagenbauer MAN, die Teilnehmenden waren begeistert, haben den Leuten vor Ort Löcher in den Bauch gefragt, wollten gleich mit Praktika und Schnuppertagen weiter machen“, erzählt Füller. „Eine riesige Motivation für die ganze Teilnehmergruppe, weil jeder oder jede Einzelne mit dem Wissen zurück kamen, es gibt tatsächlich Möglichkeiten für mich, in der Arbeitswelt in diesem Land einen Einstieg zu finden“. 

Flankiert werden die Maßnahmen des JMD im Übergang Schule, Ausbildung, Beruf auch über das Projekt „Ausbildungspatenschaften“, das IN VIA zusammen mit ehrenamtlichen Paten bundesweit an sieben Standorten anbietet. Gut eingebunden ist der JMD in ein ganzes Netzwerk weiterer Angebote seines Trägers: So gibt es „IN VIA Connect“, ein internationales Bildungs-, Freizeit- und Kulturzentrum für Jugendliche und junge Erwachsene. Junge Migrantinnen und Migranten können an Stadtexkursionen teilnehmen, Tanzen lernen oder sich in englischer Konversation üben. Das Angebot „Lern-Connection“ bietet auch Deutsch-, Englisch-, und Mathematiknachhilfe.

Natürlich ist der JMD aber auch in die wesentlichen kommunalen Strukturen gut vernetzt. So funktioniert in München die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde im Kreisverwaltungsreferat erfolgreich, mit anderen Migranten-Hilfeorganisationen teilt sich der JMD ein Zimmer in der Behörde. „Es hat etwas gedauert, bis die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter des Ausländeramtes aktiv die Leute in unserer Büro geschickt haben, seitdem läuft das prima, die Sinnhaftigkeit und Bereicherung der Zusammenarbeit ist einfach jedem Beteiligten mittlerweile klar“, freut sich Brigitte Inegbedion, Leiterin des Fachbereichs Migration bei IN VIA.
Positive Erfahrungen macht der JMD in München auch in der Zusammenarbeit mit den sogenannten Sozialbürgerhäusern, die dezentral in den Bezirken der Stadt zu finden sind. Städtische Einrichtungen und verschiedene Dienste sitzen dort zusammen. In einem weiteren Projekt wird aktuell die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter ausgebaut. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. Junge Migrantinnen und Migranten werden konsequent an die Jugendmigrationsdienste vermittelt, wenn es beispielsweise darum geht, einen geeigneten Integrationskurs zu finden. 

Einen entscheiden Impuls der Vernetzung, sagt Inegbedion, gab es auch über die Wanderausstellung „Anders? Cool!“, die auf Einladung der JMD in München Station machte. Die Ausstellung des Servicebüros JMD in Bonn beschäftigt sich interaktiv mit dem Thema Jugendmigration und wird deutschlandweit gerne von Institutionen der Jugendarbeit oder Schulen gebucht. „Viele Vertreter der Stadt waren damals dabei“, erinnert sich Inegbedion. „Die Ausstellung hat noch einmal stark zur Bekanntmachung der JMD in der Stadt und Region beigetragen“.