Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

Sprache als Schlüssel: JMD sind Anlaufstelle für Geflüchtete

Der Krieg in der Ukraine hat eine große Fluchtbewegung nach Deutschland und in andere Länder ausgelöst. Die rund 500 Jugendmigrationsdienste bundesweit sind eine wichtige Anlaufstelle für junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren. Mit großem Einsatz helfen die JMD-Mitarbeitenden den Geflüchteten.

Julita Wagner-Krawczyk bei ihrem Einsatz im polnischen Krakau.

Die Grenzstadt Frankfurt (Oder) hat die Fluchtbewegung über das Nachbarland Polen als eine der Ersten erlebt. Für viele Flüchtende ist die Stadt Durchgangsstation, einige bleiben aber auch, berichtet Julita Wagner-Krawczyk vom lokalen JMD. Die Suche nach Schulplätzen für die angekommenen Jugendlichen sei eine der größten Herausforderungen. Dazu kommt die Wohnungssuche. Und natürlich ist auch die Sprachbarriere zu den Geflüchteten immer wieder ein Thema. Hier sind kreative Lösungen gefragt, Julita Wagner-Krawczyk und ihr JMD-Team sind hier ein sehr gutes Beispiel.

Mit Kolleginnen ihres Arbeitgebers Internationaler Bund war sie in der Anfangsphase eine Woche im polnischen Krakau, um dort bei der Versorgung Geflüchteter zu helfen. „Ich habe dort gemerkt, dass ich nur ein Tropfen im Ozean der Hilfe bin.“ Sie brachte ein sehr konkretes Projekt von dort mit: Nach ihrer Rückkehr erstellte sie auf Basis einer polnischen Vorlage zusammen mit einer Kollegin, die aus der Ukraine stammt, einen handlichen Sprachführer Ukrainisch-Deutsch. Er gibt den Geflüchteten für verschiedene Bereiche des täglichen Lebens wichtige deutsche Begriffe und Formulierungen an die Hand. Das Heft soll helfen, „erste sprachliche Hürden zu überwinden“, sagt Julita Wagner-Krawczyk.


Einen Sprachführer erstellten JMD-Mitarbeitende aus Frankfurt/Oder.

Russischkenntnisse helfen gut weiter

Theo Tretjakov, Leiter des JMD in Wiesbaden, profitiert derzeit besonders von seinen eigenen Sprachkenntnissen. Er ist in Kasachstan geboren, lebte längere Zeit in Litauen und spricht Russisch. Einschließlich der Praktikantinnen kommt sein Team sogar auf drei Mitarbeitende, die die Sprache beherrschen und sich sehr gut mit den Geflüchteten verständigen können. „Zu uns kam bislang noch niemand aus der Ukraine, der nicht Russisch verstanden hätte.“

Die Kommunikation mit den Menschen aus der Ukraine sei auch dadurch leichter, dass viele Verwandte oder Freunde hätten, die schon länger in Deutschland seien und bei Bedarf übersetzen könnten. „Die Sprachbarriere ist nicht so groß wie etwa bei Menschen, die aus Afghanistan kommen.“ Rasch Deutsch zu lernen, sei dennoch der zentrale Schlüssel zur Integration der Ankommenden, ist Theo Tretjakov überzeugt. „Es geht nicht ohne Sprache.“

Unterstützung bei den Anträgen für Integrations- und andere Kurse ist deshalb eine Hauptaufgabe des JMD. Dazu kommt auch hier die Suche nach Schulplätzen für die jungen Menschen. Unter dem Motto „Willkommen in Wiesbaden“ organisiert der JMD auch Treffen für Menschen aus der Ukraine, um ihnen das Ankommen in der Stadt zu erleichtern.

Tretjakov findet es natürlich gut, dass der Staat den Geflüchteten jetzt schnell und unbürokratisch hilft und erhofft sich das für die Zukunft auch für Geflüchtete aus anderen Weltregionen. Es sei nämlich „schwierig zu vermitteln“, dass es Menschen aus Syrien zum Beispiel oft schwerer hätten. Dabei gelte doch eigentlich: „Mensch ist Mensch.“

„Sehr große Herausforderung erwartet uns“

Die sprachliche Hürde gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine ist auch für Chatuna Tabatadze vom JMD Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin niedrig: Sie stammt aus Georgien und war dort, als es 2008 zum Krieg mit Russland kam. Das macht sie für die Lage der Menschen aus der Ukraine besonders sensibel: „Ich kann die Ängste und Unsicherheiten sehr gut nachvollziehen.“ Sehr viele der Geflüchteten zieht es nach Berlin, gerade in der ersten Zeit eine große Herausforderung für alle Beteiligten dort. „Am Anfang waren wir alle überfordert“, erinnert sich Chatuna Tabatadze.


Chatuna Tabatadze (Mitte) mit Ukrainerinnen, die sie bei der Schulplatzsuche unterstützte.

Bald stellten sich Erfolgserlebnisse ein, etwa bei der Vermittlung von Schulplätzen. Sie freut sich, dass derzeit an vielen Stellen sehr schnell und auch unbürokratisch Entscheidungen getroffen würden. Und wie geht es weiter? Als gelernte Psychologin und Psychotherapeutin sieht Chatuna Tabatadze die enorme psychische Belastung, die der Krieg und die Flucht für die Menschen bedeuten. Viele Geflüchtete seien derzeit noch in einem Schockzustand, vieles werde noch verdrängt. Aber die Beschäftigung mit den psychischen Folgen werde auf jeden Fall kommen müssen. „Da erwartet uns eine sehr große Herausforderung“, ist Chatuna Tabatadze überzeugt.

Verzögerte Ankunft in ländlichen Regionen

In vielen ländlich geprägten Regionen Deutschlands kamen Geflüchtete aus der Ukraine in größerer Zahl erst mit Verzögerung an, weil Anlaufstellen zunächst die Städte waren. Aber auch abseits der Metropolen rechnen die Mitarbeitenden kleinerer JMD mit großen Herausforderungen. Einen Knackpunkt sieht Oxana Wittmann vom JMD Schleswig-Flensburg darin, Dolmetscher zu organisieren und zu bezahlen. Dazu kommen die großen Distanzen etwa im Kreis Schleswig-Flensburg, die es schwer machten, zu den Ratsuchenden zu kommen – und genauso schwer für diese, zum JMD zu kommen.

Oxana Wittmann treibt außerdem die Frage um, ob und wie man bei der Integration der Geflüchteten zweispurig fahren könne und müsse: In Deutschland ankommen, ohne den Kontakt in die Heimat zu verlieren. So würden zum Beispiel viele Schülerinnen und Schüler online weiter von ihren ukrainischen Schulen unterrichtet. „Viele wollen so schnell wie möglich zurück in die Ukraine“, glaubt Oxana Wittmann. Aber niemand wisse, wann es Frieden geben werde.
 
Zum JMD Frankfurt (Oder) (Internationaler Bund)
Zum JMD Wiesbaden (Internationaler Bund)
Zum JMD Berlin Friedrichshain-Kreuzberg (Caritasverband für das Erzbistum Berlin)
Zum JMD Schleswig-Flensburg (Diakonisches Werk)

Text: JMD-Servicebüro
Bilder: JMD Frankfurt (Oder), Caritasverband für das Erzbistum Berlin