Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

Sommerschule Perleberg: Deutsch lernen, basteln und die Natur entdecken

Die Sommerschule des Jugendmigrationsdienstes (JMD) in Perleberg bot im August 15 Kindern und Jugendlichen mit Migrationsbiografie eine spannende Ferienwoche: Experimentieren und spielerisches Deutschlernen standen auf dem Programm. Ein Besuch vor Ort.

Kinder beim Yoga auf einer Wiese
Kinder der Sommerschule in Perleberg beim Yoga.

Der Jugendmigrationsdienst Prignitz/Ostprignitz des EvaMigrA e.V. organisierte im August 2025 zum zweiten Mal eine Sommerschule in Perleberg. Hier verbringen 15 Kinder und junge Menschen mit Migrationshintergrund ihre Sommerferien zusammen. Sie gärtnern, werkeln, machen Sport und haben Spaß – so lernen sie die deutsche Sprache und ihren neuen Wohnort kennen. Die Kirchengemeinde stellt dafür ihren Gemeinderaum zur Verfügung. Ein Ortsbesuch von Susanne Atzenroth.

Heute ist Experimentiertag im „Freitraum“, dem Gemeinderaum der evangelischen Kirchengemeinde Perleberg. Während die Kinder noch mit Jessika Muhs beim Yoga im nahegelegenen Park sind, haben Diana, Sascha und Tosna schon alles vorbereitet. An fünf verschiedenen Stationen kann probiert, experimentiert und gestaunt werden: Warum geht eine Zitrone ohne Schale im Wasser unter, während sie mit Schale oben schwimmt? Woran lässt sich der Unterschied von Zucker und Salz erkennen? Oder: Wie kommen die Sternchen im beleuchteten Glas zustande, wenn Kurkuma langsam darin herunterrieselt? Manches grenzt an diesem Vormittag an Zauberei. In kleine Gruppen unterteilt, wandern die zwölf Kinder von Station zu Station. Das Helferteam ermutigt sie dabei, Fragen zu stellen oder zu erzählen, was sie sehen. So kann Ivan das Zitronen-Experiment ganz genau erklären. Sein Urgroßvater hatte es ihm zu Hause in der Ukraine schon gezeigt.

Initiative von den Eltern

Wie Ivan leben die meisten Kinder erst wenige Jahre in Deutschland. So auch Nima aus dem Iran und Fahim aus Afghanistan. Die beiden sind Freunde. Da sie keine gemeinsame Sprache haben, verständigten sie sich bisher auf Englisch. Hier in der Sommerwerkstatt versuchen sie es auf Deutsch.

Es ist das zweite Jahr, in dem der Verein Jugendhilfe Nordwestbrandenburg (JNWB), der Kreisjugendring und der Jugendmigrationsdienst gemeinsam diese Sommerwerkstatt anbieten. „Eigentlich kam die Initiative von den Eltern“, sagt Kathrin Schmidt vom JMD des EvaMigrA e.V. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit für EvaMigrA leitet sie ehrenamtlich einen Begegnungskreis afghanischer Frauen und engagiert sich im Ukrainetreff. Die Eltern bedauerten, dass ihre Kinder über die Sommerferien die deutsche Sprache verlernten und mit dem neuen Schuljahr wieder mühsam hineinkommen müssen.

So startete im vergangenen Jahr erstmals die Sommerschule, die in diesem Jahr zur „Sommerwerkstatt“ wurde. „Perleberg ist von jeher geprägt von vielerlei Handwerk“, erklärt Heidi Spormann vom JNWB. „Wir möchten den Kindern den Ort näherbringen, an dem sie jetzt leben.“ So sind die Berufe und das gemeinsame Werkeln der rote Faden, der sich durch die Woche zieht. Auftakt war ein Stadtspaziergang ins Museum.

Kleine Flöße aus gesammelten Ästen

Nun wird jeden Tag etwas gebaut, gegärtnert oder experimentiert. Im Fenster wachsen Kressesamen, kleine Flöße aus gesammelten Ästen entstehen und Armbänder werden nach Binärcodes geknüpft. Aber auch Spiel und Spaß wie Kino- oder Schwimmbadbesuche, Musik und aktive Bewegung gehören zum Programm.

Jeder Tag steht unter einem bestimmten Motto, Rituale wie der Begrüßungskreis oder die Yogastunde strukturieren den Tag. Für das Mittagessen kaufen die Kinder mit ein und kochen gemeinsam. „Auch Kochen ist ja ein Handwerk, das wir den Kindern näherbringen möchten“, erläutert Simone Mößner vom JNWB.

Gefördert wird die Sommerschule im Rahmen des Programms „Tolerantes Brandenburg“. Die Staatskanzlei übernimmt schon im zweiten Jahr alle anfallenden Kosten. „Die Arbeitsstunden von uns vier Teammitgliedern bilden dabei den Eigenanteil“, sagt Kathrin Schmidt. Dazu kommen die beiden Praktikantinnen Diana und Sascha. Während Diana schon in ihrem zweiten Ausbildungsjahr ist, möchte Sascha im nächsten Jahr mit der Erzieherausbildung starten. Beide sprechen Russisch und dolmetschen, wo es Not tut. „Dank der ehrenamtlichen Helferinnen können wir praktisch eine Eins-zu-zwei-Betreuung leisten“, sagt Kathrin Schmidt.

Intensive Zuwendung

Die intensive Zuwendung sei wichtig, um jedem Kind die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und es auch über den Tag zu motivieren, sich einzubringen – selbst wenn die Sprachfertigkeit noch nicht groß ist. „Jedes Kind hat besondere Fähigkeiten, die hier alle gleich wichtig sind: Manche können wunderbar schnitzen, andere begeistern mit einem Kopfstand oder lesen den anderen vor.“

Nicht alle Kinder kennen sich untereinander. Sie kommen aus vier verschiedenen Schulen der Kleinstadt und besuchen unterschiedliche Klassenstufen. Zwischen sieben und 15 Jahre alt sind die Teilnehmenden. Die 15-jährige Tosna begleitet ihre kleine Schwester Haua und unterstützt gleichzeitig das Leitungsteam. Sie geht in die 10. Klasse des Perleberger Gymnasiums und möchte später Kinderärztin werden. „Ich mag Kinder unheimlich gerne“, sagt sie.

Speisen verschiedener Kulturen

Auch bei der Zubereitung des Mittagessens und der Speiseplanung unterstützt sie das Team und erläutert, welche Speisen „halal“, also nach islamischen Speisevorschriften zubereitet, sind. So gibt es meist mehrere Gerichte. In der Küche des „Freitraums“ wird unter Anleitung von Simone Mößner fleißig gewerkelt, bis alles auf dem Tisch steht.

Der Gemeinderaum der evangelischen Kirchengemeinde im Zentrum der Stadt ist für alle Aktivitäten gut geeignet. Am letzten Tag werden auch die Eltern dazukommen, mit Kindern und Team gemeinsam am Mitbring-Buffet feiern und die Resultate der Sommerwerkstatt bestaunen. Auf der nahe gelegenen Stepenitz schließt dann ein Rennen der selbstgebauten Flöße die Woche ab.

Mehr über den JMD Prignitz/Ostprignitz-Ruppin (EvaMigrA e.V.)

Text und Bilder: Susanne Atzenroth
Zuerst erschienen am 13.08.2025 in der Evangelischen Zeitung. 
Originaltext verfügbar unter: www.evangelische-zeitung.de/sommerschule-perleberg-deutsch-lernen-basteln-und-die-natur-entdecken