Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

Erst kam sie selbst zur Beratung – jetzt leitet sie das Büro

Zahra Hassanpour kam aus dem Iran nach Deutschland, besuchte Integrationskurse und fand ziemlich schnell den Weg zum Jugendmigrationsdienst Ludwigshafen. Sie engagierte sich ehrenamtlich, arbeitete später hauptberuflich in der Flüchtlingsberatung. Im Iran hatte sie Modedesign studiert; ein Studium der Sozialarbeit eröffnete ihr in Deutschland neue berufliche Möglichkeiten.

Zahra Hassanpour suchte einst selbst Rat im Jugendmigrationsdienst. Heute unterstützt sie junge Menschen.

Um Punkt zwölf Uhr wird es laut. Die Glocken im Turm der nahen Kirche lassen jedes Gespräch verstummen. Doch nur für kurze Zeit. Im Büro von Zahra, mit dem Schreibtisch, dem Besprechungstisch und den großen Fenstertüren, gibt es lediglich eine kleine Gesprächspause, wenn sie Besuch hat. Und Gäste mit Beratungsbedarf hat sie oft.

Ludwigshafen hat mit mehr als 50 Prozent einen der höchsten Anteile an Menschen mit Migrationsbiografie in Deutschland. Das Büro des Jugendmigrationsdienstes (JMD) der Caritas liegt in Mundenheim, einem Stadtteil, in dem besonders viele Migrantinnen und Migranten und deren Nachkommen leben. Zahra arbeitet seit zwei Jahren für den JMD als Sozialarbeiterin. Dass sie einmal die Beratungsstelle leiten wird, war Zahra sicherlich nicht klar, als sie zum ersten Mal das Büro betrat: Damals suchte sie selbst Rat und wollte ihre Deutschkenntnisse verbessern.

Studieren und gleichzeitig arbeiten – das war für sie eine anstrengende Zeit

Das Datum, an dem Zahra nach Deutschland kam, weiß sie noch genau: Am 7. Juni 2009 konnte sie einreisen; ihr Mann wartete bereits. „Ich habe einen Integrationskurs besucht und war fünf Monate zum Deutschlernen an der Volkshochschule", erinnert sie sich. Die nächsten Sprachtrainings besuchte sie dann beim Jugendmigrationsdienst. Für junge zugewanderte Menschen bot sie dort Kunstkurse an, schließlich hatte sie im Iran Modedesign studiert. Und sie gab persische Kochkurse beim internationalen Frauentreff der Stadt Ludwigshafen. Später, als ihr Deutsch besser war, hat sie dann ehrenamtlich persischsprachige Menschen bei Behördengängen und bei Arztbesuchen begleitet. „Ich war sogar einmal bei einer Geburt dabei", erinnert sie sich.

Zum Wintersemester 2015 hat sie ein Fernstudium der Sozialarbeit aufgenommen. Gleichzeitig arbeitete sie zunächst als Sprach- und Kulturvermittlerin bei der Stadt Ludwigshafen und dann als Familienhelferin bei der Ökumenischen Fördergemeinschaft. Diese ist eine Einrichtung der Kirchen, die sich unter anderem um geflüchtete Familien und unbegleitete minderjährige Geflüchtete kümmert. „Dreieinhalb Jahre studieren und arbeiten – das war sehr anstrengend," erzählt sie. Doch der Bachelor-Abschluss ermöglichte ihr dann, sich beim Jugendmigrationsdienst als Sozialarbeiterin zu bewerben. An das Vorstellungsgespräch Anfang Juli 2020 kann sie sich noch genau erinnern. Wenige Tage später, im August, trat sie ihre neue Stelle an.


Enger Austausch im Team ist wichtig für eine gute Beratung.

An vielen Orten in Ludwigshafen ist die Handynummer bekannt

Zahra und ihre Kollegin beraten im JMD junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren. Es geht um Fragen zur Ausbildung, zum Schulbesuch, aber sehr oft auch um den Aufenthaltsstatus. Die Handynummer des JMD hängt an vielen Stellen aus: Jugendzentren, Treffpunkten von Migrantinnen und Migranten, beispielsweise in Schulen und bei Behörden.

Eine der Schulen mit vielen Schülerinnen und Schülern aus Familien, die aus anderen Ländern zugewandert sind, liegt genau gegenüber des Ludwighafener JMD-Büros. Mittags strömen sie zur nahen Tram-Haltestelle, und manchmal gehen einige von ihnen ein paar zusätzliche Meter weiter zur Beratung.

Zahra berät ebenfalls minderjährige Geflüchtete, die ohne Verwandte oder Erziehungsberechtigte hergekommen sind. Sie leben zumeist in Einrichtungen für Betreutes Wohnen. Auch bei ihnen geht es oft um Asylverfahren und darum, welche Möglichkeiten es gibt, dass vielleicht auch die Eltern nachkommen können.


Flyer und Kontaktdaten des JMD finden sich in Ludwigshafen fast überall dort, wo junge Zugewanderte sind.

Für die Beratung immer über aktuelle Entwicklungen informiert bleiben

Nicht immer sind es jedoch geflüchtete Menschen, die Zahra und ihre Kollegin um Rat fragen. „Es kann auch eine Person sein, die nach einem Au-Pair-Aufenthalt in Deutschland bleiben und studieren oder arbeiten möchte", erläutert Stephanie Gutting, die Scheidende Leiterin des JMD. „Wir beraten auch, wenn es um Fragen der Anerkennung von Bildungsabschlüssen geht." Oft geht es auch um die behördliche Anmeldung und unter welchen Umständen jemand umziehen darf, welche Reihenfolge dabei zu beachten ist. Oder wie die Kinder einen Platz an einer Schule finden können. Das sind Fragen, die derzeit vor allem Geflüchtete aus der Ukraine umtreiben.

Zahra und ihre Kollegin müssen nicht nur bei diesen Fragen immer über die aktuellen Vereinbarungen auf politischer Ebene und deren Auswirkungen auf die Arbeit der Behörden informiert sein. „Wichtig ist auch, dass wir nicht versuchen, alle Fragen bei nur einem Besuchstermin zu klären", hat Zahra gelernt. Sie selbst hat etliche Fortbildungen und Fachkonferenzen besucht und tauscht sich mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen aus, um die oft komplizierten Regelungen zu verstehen.

Ob geflüchtet oder nicht: Für Zahra ist es immer wieder „eine Freude, wenn Jugendliche sich integrieren und sich ein neues Leben aufbauen". Ganz das alte Leben zurücklassen kann dabei wahrscheinlich niemand, sie selbst auch nicht. Ihre Verwandten sind noch im Iran, und bei den aktuellen Entwicklungen dort hat sie große Sorgen – „insbesondere, wenn wieder mal das Internet abgestellt wird und für Stunden oder Tage niemand erreichbar ist," so Zahra.

Mehr über den JMD Ludwigshafen u. Speyer

Text und Bilder: Servicebüro Jugendmigrationsdienste