Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

JMD-Arbeit in Zeiten von Corona – Was Ratsuchende beschäftigt

Covid-19 hält die Jugendmigrationsdienste weiterhin auf Trab. Schulen sind für die meisten Klassen nach wie vor geschlossen, Job- und Ausbildungssuche werden zum Teil erschwert. Was bedeutet das für die Jugendlichen und für die Beratung der JMD? Darüber haben wir mit Mitarbeitenden in Minden-Lübbecke und Köln gesprochen – und darüber, warum der Umgang mit dem Corona-Virus für viele Ratsuchende kein großes Problem zu sein scheint.

Mit Abstand auch vor Ort erreichbar: Jugendliche warten auf ausgefüllte Dokumente beim JMD Minden-Lübbecke.

Nach und nach werden Schulen wieder geöffnet. Zunächst nur für die Abschlussklassen, die meisten Schülerinnen und Schüler müssen sich noch zu Hause gedulden. Während einige sich fragen, wie sie die freigewordene Zeit nutzen können, andere kreativ werden oder Masken nähen, gibt es auch Jugendliche, für die die Situation eine große Herausforderung darstellt. Lehrkräfte stellen ihr Unterrichtsmaterial teilweise online zur Verfügung. Da es den Schülerinnen und Schülern mitunter jedoch an technischen Voraussetzungen oder der nötigen Internetverbindung fehlt, sind die Aufgaben nicht immer einfach zu bearbeiten.

Zudem würden sich die meisten Lehrkräfte selbst zum ersten Mal mit Online-Unterricht konfrontiert sehen und Arbeitsaufträge hier und da unvollständig oder missverständlich vermitteln, erzählt Claudia Armuth vom Jugendmigrationsdienst Minden-Lübbecke des Diakonischen Werks. „Vor allem für Personen, die sprachlich nicht so fit sind, ist das schwierig. Jetzt kann der- oder diejenige bei Unklarheiten nicht mal schnell den Banknachbarn fragen. Eine Anmeldeanleitung für ein virtuelles Klassenzimmer haben auch wir hier zu zweit nicht entschlüsseln können, sodass ich die Lehrkräfte per Mail selbst dazu kontaktiert habe.“

Unterricht macht Pause

Ob und wie der Unterricht weitergehe, eingeschlossen die Deutsch-Sprachkurse, sei sehr unterschiedlich und hänge stark davon ab, welches Know-How Lehrkräfte besitzen und auch, wie motiviert und kreativ sie sind, so Armuth. Im Hinblick auf die Zukunft der jungen Menschen spürt Tobias Kuberski vom Jugendmigrationsdienst Köln der KJA eine große Unsicherheit und kann die möglichen Auswirkungen noch schwer abschätzen: „Jugendliche in Abschlussklassen fragen sich natürlich, ob sie ihren Abschluss mit der verpassten Zeit noch erreichen können. Genauso unklar ist, inwiefern sich die weitere Planung verschiebt, wenn ein Sprachzertifikat nicht zum geplanten Zeitpunkt da ist, etwa zum Beginn einer Ausbildung.“

Gerade für junge Menschen, deren Eltern überfordert sind, bei Hausaufgaben nur wenig helfen können oder nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu versorgen, für diese sei die Schule ein wichtiger Raum, der nicht nur fachlich, sondern auch sozial unterstütze, Struktur und Halt gebe. Die Jugendmigrationsdienste tun ihr Bestes, um in dieser Situation zu beraten und begleiten. „Das ist wichtig“, meint Claudia Armuth. „Wir sind aktiv in Kontakt mit den jungen Menschen und sie wissen, dass sie sich immer bei uns melden können. Es ist ein großer Vorteil, dass unsere Büros ebenerdig und direkt zugänglich sind. So geht die Unterstützung auch vor Ort am Fenster.“

Dass Schulen geschlossen haben, wirkt sich nicht nur auf den Alltag von Schülerinnen und Schülern aus. So führt Tobias Kuberski aus: „Wenn zum Beispiel die junge Mutter mit drei Kindern sowieso schon viel zu tun hat und es nur schwer schafft, sich auf ihren persönlichen Fortschritt zu konzentrieren, dann ist es jetzt noch schwieriger, weil die Kinder rund um die Uhr zu Hause sind und sie sich vermehrt um sie kümmern muss. Ich habe das Gefühl, dass viele Themen, die vorher schon da waren, jetzt noch mal verstärkt werden.“

Teilweise erschwerte Suche nach Ausbildung und Arbeitsstelle

Bewerbungsfragen gehören nach wie vor zum Alltag der Jugendmigrationsdienste. Im Vergleich zu der Zeit vor Corona seien diese aktuell mit mehr Arbeitsschritten verbunden, da sie nicht Face-to-Face stattfinden können und beispielsweise das „Hin- und Herschicken“ von Dokumenten Mehraufwand bedeute – für beide Seiten. „Ich merke, dass ich viel Zeit mit einem Ratsuchenden verbringe“, so Kuberski. „Ich recherchiere nach Stellen und wir telefonieren länger zu den Möglichkeiten. Dann gehen wir die inhaltlichen Punkte der Bewerbung durch und es wird ein Text formuliert. Das Schwierigste ist, Anlagen wie zum Beispiel Zeugnisse vollständig zur Verfügung zu stellen, und zwar in einigermaßen guter Qualität.“ In der Regel würden die Jugendlichen die Dokumente abfotografieren und sie per Mail an den JMD schicken.



Homeoffice mit Domblick: Tobias Kuberski vom JMD Köln ist von zu Hause aus mit den Jugendlichen in Kontakt.

Die Suche nach Arbeitsstellen geht erst einmal weiter. Was Ausbildungsplätze betrifft, ist Kuberskis Eindruck ein anderer. Es fühle sich so an, als herrsche zumindest bei kleineren Unternehmen seit einigen Wochen Stillstand. „Da scheinen gerade andere Themen dringender zu sein. Ich bin generell unsicher, welche Auswirkungen die Situation auf Beschäftigungen und Ausbildungschancen hat. Welche Unternehmen es vielleicht nicht mehr geben wird oder wer keine finanziellen Kapazitäten mehr haben wird, um junge Menschen auszubilden.“ Es könne gut sein, dass sich die arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarktsituation der letzten Jahre nun wieder stark verändern werde.

Auch im Kreis Minden-Lübbecke sei die Arbeit in vielen Betrieben heruntergefahren. Claudia Armuth hatte Sorge, dass viele der ratsuchenden Menschen aufgrund der aktuellen Krise ihre Arbeit verlieren würden. „Das ist aber bislang zum Glück seltener passiert als befürchtet. Viele wurden in Kurzarbeit geschickt und hoffen auf eine Rückkehr in den Normalbetrieb. Und ja, wir hatten auch einige Anträge auf Arbeitslosengeld oder ALG II.“ Komme es zu solchen Antragsstellungen, sei dies mit Schwierigkeiten verbunden. Für Online-Anträge müsse man sich online mit einer PIN ausweisen können, die kaum jemand habe. Für schriftliche Anträge müssen Termine telefonisch vereinbart werden, was zurzeit wegen Überlastung häufig nicht möglich sei. „Momentan stößt man leider an übermäßig viele Grenzen.“

Corona: Einfach eine weitere Krise

Was das Virus selbst betrifft, hätten die wenigsten Fragen oder konkrete gesundheitliche Sorgen, die sie an die Jugendmigrationsdienste herantragen. Ihre Unsicherheit sei dennoch deutlich zu spüren, meint Armuth und berichtet, dass sie immer wieder Infoblätter und Links zu mehrsprachigen Portalen weiterleite. Teilweise seien diese Informationen auch für Angehörige in den Herkunftsländern hilfreich.

Viele junge Menschen, die zur Beratung kommen, seien durch ihre bisherige Geschichte oder ihre allgegenwärtigen Lebensumstände an Krisen gewöhnt. „Was es bedeutet, in Angst zu leben oder erst einmal in Angst auszuharren, das ist vor allem für Personen, die geflüchtet sind, nichts Neues“, erklärt Armuth. „Auch das Tragen von Masken ist manchen bekannt, wenn sie zum Beispiel aus Regionen kommen, in denen gefährliche Krankheitserreger immer wieder ein Problem sind.“

Vorsichtig sein zu müssen und sich in einer ungewissen Lage zu befinden, wie es in der aktuellen Corona-Situation für alle Menschen gilt, diesen Zustand würden viele Ratsuchende also kennen. Sie seien durchaus krisenerprobt – im Gegensatz zum Großteil der Deutschen. Über das Hamstern von Hygieneartikeln und Lebensmitteln können sie vielleicht nur lächeln, zumal ihnen selbst häufig die nötigen finanziellen Ressourcen dafür fehlen.


Zum JMD Köln (Katholische Jugendagentur Köln gGmbH)

Zum JMD Minden-Lübbecke (Die Diakonie, DW im Kirchenkreis Lübbecke e.V.)

Text: Servicebüro Jugendmigrationsdienste
Fotos: JMD Minden-Lübbecke / JMD Köln